Die Idee, dass das Alter die Ausstrahlung potenziert, befreit vom Zwang, die Schönheit wie ein rohes Ei zu behandeln. Mag sein, dass es gelingt, sich partienweise gegen die Schwerkraft des Alterns zu stemmen, doch gelingt es uns niemals von außen an unsere Essenz – die Quelle der Ausstrahlung – zu gelangen.
Wer strahlt, dreht die Kurbel in sich. Diese Betätigung ist eine aktive Haltung zu sich selbst und kein passives Verweilen. Die Kurbel lässt sich dabei nicht animieren wie die Eitelkeit im Fitnessclub. Sie ist sensibel und komplex.
Haltung zu bewahren ist eine Disziplin. Sie fordert das Bei-sich-bleiben sowie das Sich-in-die-Zukunft-gestalten: „Der Mensch ist nur, indem er sich selbst erwählt; wenn er es ablehnt, sich zu erwählen, vernichtet er sich.“ (De Beauvoir. Drei Essays. 1939-1941: 226)
Wer glaubt, er könne sich ohne Turbulenzen konstant am „Strahlen“ halten – so denke ich – der irrt. Ohne Melancholie keine Euphorie. Kein natürliches Wesen ist je konstant. Die Natur in uns ist so launisch, wie die Natur die uns umgibt: Mal ist sie extravagant üppig. Mal ist sie das alles nicht. Konstant ist das Regelwerk um uns herum und die langweiligsten Menschen der Welt. Sie bleiben nämlich konstant erschöpft, frustriert und auf der Stelle.
Ohne ehrliche Haltung gegenüber sich selbst wird man lasch, fahl und müde. Die Essenz – um die sich alles dreht – zeigt sich in unserem natürlichsten Kern: Dem unberechenbaren, hochfrequentierten Marktplatz unseres Lebens. Das könnte also bedeuten: Nicht von außen kaschieren, sondern den Kern geduldig veredeln, um der wilden Ausstrahlung eine Öffnung statt ein Ende zu weisen.